Friedrisch Nietzsche: Von der großen Sehnsucht
(aus. Also sprach Zarathustra)
Aber willst du nicht weinen, nicht ausweinen deine purpurne Schwermut, so wirst du singen müssen, o meine Seele! - Siehe, ich lächle selber, der ich dir solches vorhersage:
singen mit brausendem Gesang, bis alle Meere still werden, daß sie deiner Sehnsucht zuhorchen;
bis über stille sehnsüchtige Meere der Nachen schwebt, das güldene Wunder, um dessen Gold alle schlimmen wunderlichen Dinge hüpfen;
auch vieles große und kleine Getier und alles, was leicht wunderliche Füße hat, daß es auf veilchenblauen Pfaden laufen kann;
hin zu dem güldenen Wunder, dem freiwilligen Nachen und zu seinem Herren: das ist aber der Winzer, der mit diamantenem Winzermesser wartet.
Dein großer Löser, o meine Seele, der Namenlose, dem zuküftigen Gesänge erst Namen finden! Und wahrlich, schon duftet deine Atem nach zukünftigen Gesängen, schon glühst du und träumst, schon trinkst du, durstig an allen tiefen klingenden Trost-Brunnen, schon ruht deine Schwermut in der Seligkeit zukünftiger Gesänge! -
O meine Seele, nun gab ich dir alles und auch mein letztes, und alle meine Hände sind leer geworden:
- daß ich dich singen hieß, sprich nun, sprich: wer von uns hat jetzt zu danken? - Daß ich dich singen hieß? sprich nur, sprich: wer von uns hat nun zu danken? -
Besser aber noch: singe mir, singe, o meine Seele! und laß mich danken!
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